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Sonderregel in Bayern: Wem gehört ein Schatz, den man im Wald findet?

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Muntionsreste aus dem 2. Weltkrieg
Marco Ofenstein vom Kampfmittelräumdienst Rheinland-Pfalz zeigt am 27.05.2010 in einer Baugrube in Weißenthurm (Kreis Mayen-Koblenz) Munitionsteile eines B-26-Bombers. © dpa/Thomas Frey

Für manche ist die Schatzsuche mit der Sonde bloßes Hobby. Andere zerstören rücksichtlos kulturelles Erbe, um sich persönlich zu bereichern. Für Funde gibt es Bayern eine Sonderregel.

Private Forscher begeben sich mit Metalldetektoren auf die Suche nach Weltkriegsüberresten - viele von ihnen illegal. Nach Einschätzung des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLfD) werden solche Sonden zu einem überwiegenden Teil von Personen eingesetzt, die sich nicht an die gesetzlichen Vorgaben halten. Wer in Bayern im Bereich eines Bodendenkmals unter der Erde sucht, braucht eine Genehmigung. Außerhalb der eingetragenen Flächen dürfen Privatforscher zwar graben, müssen die Gegenstände aber unverändert im Boden belassen und den Behörden melden, erklärt Michael Heinzlmeier. Der Polizeihauptkommissar und Archäologe hat sich in seiner wissenschaftlichen Arbeit auf Raubgrabungen spezialisiert. Wer sich nicht an die Vorgaben hält, dem droht ein Bußgeld von bis zu 250 000 Euro.

Nur 10 bis 15 Personen pro Jahr melden laut BLfD in Bayern archäologische Funde. „Im Vergleich zur anzunehmenden Gesamtzahl der Sondengänger ist das ein nahezu verschwindend geringer Anteil“, heißt es beim Landesamt. Diesem sind laut einer Sprecherin etwa 3000 Sondengänger bekannt, die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher sein. Schätzungsweise suche rund ein Viertel von ihnen gezielt nach Militaria, heißt es bei der Behörde.

Die Sammler studieren mitunter Kriegsberichte und grasen gezielt Schlachtfelder ab. Bei ihnen stehen Abzeichen oder Waffen hoch im Kurs, so Heinzlmeier. „Auch Alltagsgegenstände wie Feldbesteck sind gefragt. Jeder hat sein Interessensgebiet, das geht hin bis zu ganzen Panzern“. Der Absatzmarkt sei groß, Gegenstände mit NS-Symbolen ließen sich auf einschlägigen Internetplattformen besonders gut verkaufen, etwa in die USA.

Sonderregel: In Bayern gehört ein Schatz zu 50 Prozent dem Entdecker

In Bayern gehört ein Schatz zu 50 Prozent dem Entdecker - die andere Hälfte steht dem Grundstückseigentümer zu. Eine Sonderstellung, denn in allen anderen Bundesländern werden wissenschaftlich bedeutsame Funde zum Eigentum des Staates. Die bayerischen Sammler unterschlagen den Grundstückseigentümern aber meist deren rechtmäßigen Anteil, wie Experten sagen. Einige hundert Hinweise auf Raubgrabungen gehen beim BLfD jedes Jahr ein.

Ob der gemeldete Fund archäologisch bedeutsam ist, sollen amtliche Experten prüfen. Das kann nicht nur bei Objekten aus der Vor- oder Frühgeschichte der Fall sein, sondern auch bei Weltkriegsfunden. Aus der Zeit des Nationalsozialismus listet das BLfD in seinem Denkmalatlas etwa das Konzentrationslager Dachau oder das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg auf. Auch die Schlachtfeldarchäologie gewinnt laut Heinzlmeier an Bedeutung: „Man kann anhand der Streuung von Projektilen beispielsweise die Schlachtverläufe nachvollziehen. Es gibt wahnsinnig viel verstecktes Wissen im Boden. Durch Raubgrabungen geht es unwiederbringlich verloren.“

Selbst wenn der Einzelfund Wissenschaftlern im Nachhinein zugänglich wird, liefert er kaum noch relevante Informationen. Denn der Kontext ist entscheidend: Die genauen Fundumstände und die Strukturen in der Erde müssen beim Ausgraben erfasst werden. Bundesländer wie Schleswig-Holstein oder Niedersachsen bieten eine Art Führerschein für Sondengänger an; vor der Erteilung einer Genehmigung wird Hobbyforschern in Schulungen vermittelt, wie sie archäologisch nachvollziehbar einen Fund bergen. In Bayern gibt es eine derartige Zusammenarbeit zwischen Archäologen und Privatleuten nicht.

Bei Weltkriegsfunden ist die unsachgemäße Bergung zudem gefährlich, immerhin liegen unter der Erde auch Sprengmittel verborgen. Im Umfeld des französischen Verdun kam es zu tödlichen Unfällen, weil Privatleute auf dem Schlachtfeld nach Spuren des Ersten Weltkrieges gesucht hatten. Auch Sammler, die nicht auf Krieg spezialisiert sind, stoßen mitunter auf die hochexplosiven Überreste. Wie neulich im schwäbischen Wittislingen: Ein Schatzsucher fischte mit seiner Metallangel eine Handgranate aus einem Bach, Experten mussten den Fund gezielt sprengen.

Granaten, Bomben und Munition sind Sache des Kampfmittelräumdienstes und nichts für die Vitrine im Wohnzimmer. „Wer sich Kriegswaffen auf diese Art und Weise aneignet, begeht nicht nur eine Straftat, sondern gefährdet erheblich sich und andere“, betont Dieter Sölch vom Bayerischen Landeskriminalamt. Nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz drohe eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr.

Sollte ein Flugzeugwrack gefunden werden, gilt der Bereich laut BLfD als Hoheitsgebiet des Ursprungslandes. Um die sterblichen Überreste von Soldaten kümmern sich die Vermisstenstellen des Roten Kreuzes oder die Kriegsgräberfürsorge. Auch hier richten rücksichtlose Sammler erheblichen Schaden an: Wurde die Erkennungsmarke entfernt, ist die Identifizierung der Toten unheimlich schwer, in manchen Fällen unmöglich.

Funde im Wald gibt es laut tz.de immer wieder - etwa die „Hitlermühle“ bei Aying. Eine Entdeckung der etwas anderen Art hat hingegen ein Fotograf gemacht: ein Spezial-Telefon an einem Baum.

dpa

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